Freitag, 29. März 2013

Konflikte

Die Psychoanalyse basiert auf einer Idee die einen religiösen Ursprung hat, dass ich durch Sprache alles aufschlüsseln kann, dass Sprache das göttliche Instrument ist um zu Erkenntnis und Weisheit zu gelangen. Das ist eine sehr religiöse Idee.

Am Anfang war das Wort  und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort. Nur es ist die Frage ob dem so ist? Ob nicht das Wort ohne das Gefühl was dahinter steckt? Das so genannte Motiv für die Handlung des Patienten ist ja auch etwas womit wir die eigenen Handlungen und Emotionen verstehen lernen können. Die Emotionen  haben ein ganz anderes Recht in der Psychoanalyse. Die Emotionen die ein Mensch hat zu verstehen, die versteht er nämlich oft selber nicht. Das Unbewusste ist ja zeitlos. Also das so genannte Unbewusste kennt keine Zeit und ist gespeist aus den frühesten Erinnenrungen die man zum Teil nicht verbalisieren konnte, weil das Zentrum für Sprechen noch gar nicht entwickelt war. Da gibt es viele Dinge wenn man an die Konzepte des Patienten hereinkommt die immer etwas mit diesem sehr frühen Abhängigkeitsverhältnis zu tun haben. Wenn man das in Worte fasst dann kann es auch dem Patienten zu Gute kommen. Natürlich ist es nicht nur das. Das ist immer verbunden auch mit späteren Erfahrungen. Man rückt dem Patienten sehr nahe und man kommt ihm sehr nahe. Und das macht auch Angst wenn man plötzlich diese Abhängigkeit erlebt wieder, die man in der frühen Kindheit erlebt hat. Dann macht das Angst und man versucht sich daraus zu befreien.

Um nochmal auf diese Idee der Religion und damit also der Erlösung oder der Befreiung zurückzukommen: letzlich ist das Menschenbild von Freud ein pessimistisches weil ich aus diesem System eigentlich nie rauskomme. Während die religiöse Idee ist, dass der Mensch in irgendeiner Form es schafft erlöst zu werden von seinen Gefühlen, zum Beispiel Schuld.

Langweilig, langweilig. Nicht Krieg is der Vater aller Dinge, Konflikt ist der Vater aller Dinge. Ich will keinen Streit. Ich will nur, dass man diese psychischen Konflikte löst. Warum liebt man oder hasst man? Warum begeistert man sich dafür? Warum kann man sich darauf konzentrieren aber darauf nicht? Die ganze unglaubliche Gefühlsskala die es gibt. Die ganzen Gefühle die sich gar nicht alle aufzählen lassen, die dann miteinander in Konflikt geraten: zum Beispiel, das Pflichtgefühl mit der Neigung. Kennt man ja von Kant und vielen anderen. Und diese unglaublichen Möglichkeiten! Freud würde sagen das Überich mit dem Ich gerät mit der ganzen Gefühlswelt in Konflikt.

Und das hört nie auf. Es wäre auch furchtbar langweilig wenn es aufhören würde. In der Religion, wenn man das Gefühl hat man ist erlöst, dann spricht man unentwegt von seiner Erlösung, predigt die anderen Menschen, und die andern Menschen schlucken sie roh ohne dass wirklich untergründig so etwas ähnliches wie Selbsterkenntnis stattgefunden hat.

Der Weg zur Selbsterkenntnis ist immer wieder mit Konflikten verbunden, zum Beispiel im Alter. Jedes Alter bringt neue Konflikte und müssen neu gelöst werden. Das macht auch die Lebendigkeit des Menschen aus.

Die Psychoanalyse soll die Konflikte in ihrer ganzen Kompliziertheit und Komplexität darstellen und bearbeiten. Damit können wir Menschen nicht wirklich gut umgehen.

Aber das müssen sie lernen ob sie wollen oder nicht, denn wir sind unentwegt vor neue Konflikte gestellt. Wenn sie die ganzen Jahrhunderte angucken, wenn sie schon meine 90 Jahre angucken. Was für neue Dinge ich lernen musste. Ich wurde nationalistisch erzogen und musste dann lernen sowas wie Demokratie. Und musste die verschiedensten Sprachen auch lernen, die verschiedensten Ansichtsweisen lernen. Also es war sehr schwer.

Und musste lernen, dass die Vereinfachung von Konflikten zu etwas führen wie Hitler. Das Industriezeitalter brachte neue Lebensformen auf und damit auch neue Konflikte. Und wenn ich gesagt habe Konflikt ist der Vater aller Dinge dann ist nicht die primitive Lösung von Konflikten die Zukunft. Primitive Lösung hat Hitler versucht: nur Führer, Volk und Vaterland. Wir sind das Herrenvolk. Die Arier sind gut, die Juden sind böse. Diese ganze Vereinfachung und Durchschlagung von Konflikten hat offenbar befreiend gewirkt auf die Menschen.

Ich will das jetzt auch nicht vergleichen. Also den Bogen schlagen vom Nationalsozialismus zu heute, weil ich glaube da gibts wirklich große Unterschiede. Aber im Bezug auf Kompliziertheit und Komplexität ist die Politik ähnlich wie die Religion doch eigentlich ein System was immer darauf angelegt ist, die Dinge möglichst einfach darzustellen und möglichst unkomplizierte Lösungen anzubieten.

Aber ich bitte Sie. Die Demokratie ist deswegen schon so kompliziert weil jede Partei eine neue Lösung anbietet. Also jede Partei sieht die Konflikte die sich ihnen in dieser Zeit und in zehn Jahren präsentieren. Mit dem Computer habern wir schon wieder völlig neue Konflikte. Und wenn jetzt eine Demokratie wenigstens zwingt die Menschen dort Konflikte zu sehen weil der eine die Konlikte so sieht und der andere so sieht und dadurch will er neue Lösungsformen anbieten.

Was jetzt von der Politik wieder auf die innerpsychischen Konflikte kommen lässt. Ein paar Mal fällt bei ihnen das Wort 'weise'. Also, dass die Psychoanalyse etwas mit Weisheit zu tun hat. Was bedeutet das für Sie, was ist das?

Komischerweise 'weise' gebe ich ehrlich zu hat bei mir einen Beigeschmack. 'Weise' glaubt sich jemand der über allen Dingen steht. Und das glaube ich ist auch das interessante, dass man wirklich bis zum letzten Tag seines Lebens nicht über den Dingen steht. Bis zum lezten Tag seines Lebens steht man immer wieder or neuen Dingen. Was machst du jetzt am besten? Und warum hast du dich dafür entschieden? Aufgrund welcher Gefühle? Man erkennt doch langsam, dass vielleicht Eifersucht, Neid oder auch allzu große Liebe oder den Wunsch den andern für sich zu gewinnen oder was weiß ich auch immer hinter seinen Handlungen steht.

Glauben sie denn, dass man so eine Klarheit erreichen kann? Also dass man sich selber so gut kennt, dass man weiss wie man reagiert und sich quasi dabei zuschaut dabei wie man wieder Mal ein Gefühl von Neid oder Eifersucht entwickelt aber das da nicht ausagiert.

Wenn sie wollen, ist das auch im Alter gut weil sie dann nicht mehr so viele Interessen haben. Das ist nämlich doch auch sobald sie Interessen haben. Sie haben Kinder die sollen was werden, sie wollen beruflich was werden. Sie haben die und die politischen Interessen, die auch mit ihnen persönlich zusammenhängen. Das haben sie ja im Alter nicht mehr. Im Alter haben sie eigentlich keine Interessen mehr außer, dass sie möglichst lebendig leben können bis zum Lebensende.

Ich übersetze das Wort 'Interesse' jetzt mal, obwohl ich das eben selber gebraucht habe. Also im Buddhismus würde man's übersetzen mit 'Begehren'. In dem Moment wo du nicht mehr ständig etwas begehrst, würde ein Buddhist sagen, und auch die Struktur dieses Begehrens verstehst.

Aber wie schön ist es doch zu begehren.

Richtig, aber in diesem Zustand der Interessenlosigkeit kann eine klarere, ruhigere Erkenntnis reifen.

In so fern haben Sie natürlich recht. Der Trieb heißt ja Trieb, er treibt einen ja irgendwo hin. Er möchte... Er verfolgt ein Ziel. Freud spricht ja vom Todestrieb. Aber gibt es sowas wie ein Todestrieb, ein Trieb der ins Nichts führt?

Das ist ja im Grunde genommen wieder ein Versuch Einfachheit herzustellen.

Natürlich. Also der Todestrieb würd ich auch denken, ist der Wunsch endlich mal keine Konflikte mehr zu haben. Aber das heißt auch tot zu sein. Also in so fern ist das keine Lösung. Ne, solange sie leben haben sie Konflikte. Und solange sie leben macht das tatsächlich auch nur Kummer aber auch Spaß wenn sie Konflikte haben. Und der Tod ist ein konfliktfreies Dasein. Wer weiß, niemand kann sagen was er fühlt wenn er tot ist, vom Tod ist noch niemand zurückgekommen.

(aus einem Gespräch zwischen Margarete Mitscherlich und Gert Scobel vom 2. April 2011)

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